Unbekannte Qualität: Interview mit Joseph Hierling

Unsere Ausstellung „Flächenbrand Expressionismus. Expressionistische Holzschnitte aus der Sammlung Joseph Hierling“ wird bis zum 23. September verlängert!
Dies haben wir zum Anlass genommen, den Sammler Joseph Hierling zu seiner Leidenschaft zu befragen, grafische Werke des Expressionismus zu sammeln:

Edwin Scharff Museum: Wie sind Sie Sammler geworden? Liegt es daran, dass Sie als Film- und Fernsehkameramann ein „Augenmensch“ sind?

Joseph Hierling: Schwer zu sagen, man fängt ja nicht als Sammler an. Hauptsächlich kam ich zum Sammeln durch die Galerie von Dr. Richard Hiepe in München. Dort habe ich meine ersten grafischen Blätter erstanden, die damals auch noch sehr preiswert waren. Die Neue Münchner Galerie war damals die einzige, die sich mit figurativer Kunst auseinandergesetzt hat, alle anderen zeigten nur abstrakte Kunst. Ich wurde dann zu einem der besten Kunden der Galerie und konnte unter anderem Blätter wie „Der Geiger“ von Fritz Schaefler erwerben. Die Sammlung hat sich dann im Laufe der Jahre entwickelt.

Eines der frühen Werke, die Hierling für seine Sammlung erwarb: Der Geiger von Fritz Schaefler (1919)

Wie treffen Sie die Wahl, ein bestimmtes Werk in Ihre Sammlung aufzunehmen?

Zuerst habe ich die attraktiven Blätter von bekannten Künstlern wie Karl Schmidt-Rottluff oder Conrad Felixmüller gesammelt. Dann habe ich aber entdeckt, dass es so viele, unglaublich gute Künstler gibt, die keiner kennt! Die großen Werke waren ja in Büchern abgedruckt, die kannte man ja. Für mich waren aber gerade die unbekannten interessant. Je unbekannter, desto besser!

Clément Moreau hat Ihnen eine Widmung auf die Holzschnitte aus der Serie „Nacht über Deutschland“ geschrieben, die auch in unserer Ausstellung „Flächenbrand“ zu sehen sind. Wie kam es dazu?

Dr. Hiepe hat in seiner Galerie eine Ausstellung zu Clément Moreau veranstaltet und dort habe ich den Künstler persönlich kennengelernt. Moreau schätzte mich wohl und wir haben viele anregende, auch politische Gespräche geführt. Daraufhin hat er mir seine politischen Blätter gewidmet.

„Dieses Blatt gehört José Hierling“ Mit diesen Worten widmete Clément Moreau Joseph Hierling das Blatt Aufstand (1939)

Was fasziniert Sie nach wie vor an Ihrer Sammlung?

Mein Hauptanliegen ist nach wie vor, die Künstler zu unterstützen, die durch das Raster der Kunstgeschichte gefallen sind. Ich möchte auf „Randkünstler“ aufmerksam machen und die Qualität dieser Künstler zeigen!

Vielen Dank!

Joseph Hierling (geboren 1942 in München) hat neben seiner über 1000 Blätter umfassenden Holzschnitt-Sammlung, von denen das Edwin Scharff Museum derzeit 130 Werke zeigt, noch eine zweite Sammlung. Der „Expressive Realismus“ ist als Ständige Sammlung in der Kunsthalle Schweinfurt zu sehen.

Das Interview wurde geführt von Julia Gmehlin für das Edwin Scharff Museum