Kunstwerk des Monats September

Miles Macre/ Felix Kraus, Phoenix, 2014

Miles Macre/ Felix Kraus, Phoenix, 2014, Papierprägung auf Büttenpapier, gerahmt im LED-Objektkasten, 56 x 56 cm, Städtische Sammlungen Neu-Ulm

Pilze, Wurzeln, Netzgeflechte – bereits im Januar haben wir in unserem Blog ein Kunstwerk vorgestellt, auf das diese Beschreibung zutrifft: das Pilzgewächs von Anne Carnein. Im September steht erneut die Arbeit eines zeitgenössischen Künstlers im Mittelpunkt, der sich mit diesen faszinierenden Organismen auseinandersetzt. 

Die Papierarbeit von Miles Macre zeigt im Zentrum einen Pilz, aus dessen ausladendem Fruchtkörper kleine Pilze wachsen. Auch in der linken und rechten Bildhälfte finden sich pflanzenähnliche Wesen, deren Oberflächen mit ihrem zartgesponnenen Netz aus Fäden und Lamellen einer Membran ähneln. Sie bilden den Nährboden für weitere Pilze mit verschiedenartigen hutförmigen Fruchtkörpern, deren filigranes Wurzelgeflecht deutlich zu erkennen ist. 

Phoenix zeigt das Interesse des Künstlers an Kleinstlebewesen, ihren Binnenstrukturen und Analogien innerhalb der Natur. Es ist das Spiel mit Perspektiven und Illusionen, die für die Arbeiten von Miles Macre/Felix Kraus kennzeichnend sind. Deutlich wird dies etwa an dem kreisförmigen Objekt in der rechten Bildhälfte. Es könnte sich sowohl um ein eigenständiges Lebewesen – eine Qualle? – als auch um den Querschnitt eines Pilzes handeln, auf den von oben hinab geblickt wird. Das, was man auf den ersten Blick in diesen Mikroaufnahmen zu erkennen scheint, lässt sich dann auf den Zweiten nicht mehr so einfach identifizieren. 

Diese Naturdarstellungen, speziell jene mit Hybrid-, also Mischwesen, sind im Werk von Miles Macre besonders prägnant. In Form von Papierprägearbeiten lässt der Künstler die Betrachter in filigrane Welten eintauchen, deren Schönheit durchaus verstörend wirken kann. Es sind Lebensformen wie Kakteen, Kraken, Urzeittiere oder Pilze, die ein organisches System des Wasserspeicherns entwickelt haben. Sie zeigen unterschiedliche Konzeptionen von Leben bzw. Lebensgemeinschaften.
Auch der Titel – Phoenix – ist rätselhaft. Meist denkt man an die Symbolik des mythischen Vogels: In der Spätantike ist er ein Bild der Wiedergeburt und Unsterblichkeit, bei den Christen ein Zeichen der Auferstehung. In Macres Werk bilden Lebewesen für andere Lebewesen die Lebensgrundlage, aus einem Pilz entwachsen neue, junge Pilze – die wiederrum zerfallen zu Humus und bilden die Basis für neue Triebe. Zwar „entsteigen“ diese nicht wie der Phoenix der Asche, doch auch hier entsteht das Neue aus dem Vergangenen. 

So geheimnisvoll und faszinierend die Arbeit Phoenix in seiner detailreichen Gestaltung anmutet, so spannend und verwoben ist auch die Geschichte des Künstlers. Miles Macre gehört mit vier weiteren Künstlerfiguren zum sogenannten „The Swan Collective“. Zu diesen Persönlichkeiten gehört neben Richard Tator, Miles Macre, Coca Lloyd und Nils Sanddorn auch Felix Kraus. Was man wissen muss: Der 1986 in München geborene Felix Kraus verkörpert diese vier Künstler. Sie sind sozusagen seine fiktiven Alter-Egos. 

Die „gemeinsamen“ Arbeiten des Kollektivs umfassen die künstlerischen Disziplinen Malerei, Fotografie, Video-, Performance- und Installationskunst. Die aufwendige Papierpräge-Technik entwickelte Felix Kraus in seiner Rolle als Miles Macre eigens für seine Arbeiten. Durch die zum Kunstwerk gehörende LED-Beleuchtung werden die detailreichen Reliefs in ihren Objektkästen zum „Leuchten“ gebracht.  

Kristina Baumann, M.A.
Wissenschaftliche Volontärin des Edwin Scharff Museums