Thomas Putze, Sau im Seil, 2009
Das Schwein scheint sich gerade noch mal gefangen zu haben und hängt nun in den Seilen. Es hat die Beine von sich gestreckt und versucht mit seinen Klauen im Rund des Stricks Halt zu finden. Der Körper ist gespannt, die Schweinenase nach oben gereckt und das Maul vor Anstrengung geöffnet. Das massige Tier hängt im filigranen Seil und hat ihm doch wenig entgegenzusetzen – außer, es geradeso geschafft zu haben, nicht runter zu fallen.
Tiere sind im Werk von Thomas Putze (1968 in Augsburg geboren) ganz besonders präsent. Affen, Eulen, Raben, Hunde und viele mehr tummeln sich in seinem eigenen Panoptikum. Auch wenn man beim Betrachten dieser Tiere unweigerlich über ihre menschlichen Züge lächeln muss, so begegnet der Künstler ihnen doch mit größtem Respekt. Ihre typischen Formen und Bewegungen studiert Putze im Zoo und kommt ihnen über Zeichnungen auf die Spur. Zurück im Atelier, das auch als Lager ausrangierter Dinge dient und in sich selbst ein Ort endloser Inspiration darstellt, verarbeitet er die Eindrücke und verbindet unterschiedlichste Materialien zu lebendigen Wesen. Das Kernstück seiner Tierplastiken besteht dabei meistens aus Holz. Mit der Kettensäge – dem lautesten und unmissverständlichsten aller Holzwerkzeuge – arbeitet Putze sensible Tierformen aus seinem Werkstück. Dieses ergänzt er dann mit ausrangierten Gebrauchsgegenständen: Alte Metallrohre und Fahrradreifen sind ihm dabei genauso willkommen wie Stoffreste oder Plastikteile.
Diesen Teilen haftet die Aura der vorausgehenden Nutzung an. Sie waren mal ein nützlicher Teil der Konsumgesellschaft und wurden nun von Thomas Putze vom Alltagsgegenstand zum Material in der Kunst erhoben. Keine neue Idee, sondern eine mit langer Tradition: Die „ready-mades“ von Marcel Duchamps in der Kunst Anfang des 20. Jahrhunderts brachten die Produkte der Industrialisierung in die Kunst. Ein Jahrhundert später blickt Putze kritisch auf die Massenproduktion von Gebrauchsgütern und deren Umgang als Rohstoff-Ressource.
Die Holzskulptur „Sau im Seil“ ist seit der Kabinettausstellung „Wilde Tiere“ von Thomas Putze 2011 im Edwin Scharff Museum Bestandteil der Kleinskulpturen-sammlung.
Dr. Larissa Ramscheid