Kunstwerk des Monats November

Emil Orlik – Ein deutsch-böhmischer Grafiker in Japan

Emil Orlik, Japanische Schauspielerin, 1901, Farbradierung, 7,5 x 5,1 cm, Vorsatzblatt der Mappe „Aus Japan“.

Emil Orlik – 1870 in Prag geboren – ist einer der wenigen Künstler aus dem Kreis des Wiener Jugendstils, der nach Japan reiste, um die originale Technik des Farbholzschnittes zu studieren. Doch wie entstand seine Begeisterung für Fernost und dessen künstlerischen Errungenschaften?

In Europa wird die japanische Kunst erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts einem breiteren Publikum bekannt. Japanische Künstler und Kunsthandwerker präsentieren ihre Werke auf den Weltausstellungen in London, Paris und Wien. Die kunstinteressierte Öffentlichkeit ist begeistert, zahlreiche europäische Künstler lassen sich inspirieren. Besonders der Farbholzschnitt beeindruckt durch seine Exotik; rückblickend eine spannende Faszination, da in Japan selbst die Technik zu dieser Zeit als Massenware und wenig anerkannte Volkskunst wahrgenommen wird. 

Dem Grafiker, Maler und Kunsthandwerker Emil Orlik genügt es schließlich nicht mehr, bei Ausstellungen oder in Galerien die fremd anmutenden Werke japanischer Künstler kennenzulernen. So bricht er von 1900 bis 1901 für zehn Monate nach Japan auf, um seinem Wunsch nach authentischem Erleben der Kultur nachzugehen und vor Ort die Techniken des Farbholzschnittes zu erlernen. Auch Farblithografie und Farbradierung interessieren ihn zunehmend.

Die Mappe mit dem Titel „Aus Japan“ ist Zeugnis seiner Faszination. Sie enthält 15 zwischen 1901 und 1904 entstandene Blätter, die der Künstler selbst nach seiner Rückkehr zu einer Mappe zusammengefügt hat.  

Als Motive wählt Orlik alltägliche Szenen, die das Leben in Tokio fernab des europäischen Tourismus zeigen: Frauen mit Kindern, Handwerker oder Gebäudeansichten. Sehenswürdigkeiten sucht man in seinen Blättern vergebens. Orlik entwirft ein stimmungsvolles Bild des japanischen Alltags und dokumentiert gewissenhaft die für Europäer fremd wirkenden Schriftzeichen im Straßenbild der Stadt. Ein Beispiel ist das Blatt 2 „Eine Straße in Tokio“

Emil Orlik, Eine Straße in Tokio, 1900, Farblithografie, 22 x 25,5 cm, Blatt 2 der Mappe „Aus Japan“

Auch Innenräume stellt Orlik dar, etwa eine Szene im Teehaus. Meisterhaft spielt der Grafiker hier mit Licht und Schatten und verleiht dem Schauplatz eine atmosphärische Stimmung. 

Emil Orlik, Am Abend (Dämmerung, Mädchen in einem japanischen Teehaus), 1901, Blatt 12, Farbradierung, Aquatinta, Kaltnadel mit Roulette

Neben der Motivwahl ist es oftmals die Farbpalette aus Pastelltönen, welche die verschiedenen Blätter harmonisch wirken lässt. Orlik orientiert sich an japanischen Vorbildern, indem er verschiedene Drucktechniken, wie Aquatinta und die Kaltnadel, kombiniert. Bis heute gilt Orlik zu Recht als Meister der Druckgrafik. 

Nach seiner Rückkehr aus Japan, 1901, folgt zunächst ein Umzug nach Wien. 1904, im selben Jahr der Veröffentlichung der Mappe „Aus Japan“, wird er an die Staatliche Lehranstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums als Leiter der Grafik-Klasse berufen und zieht 1905 schließlich nach Deutschland. Berlin bleibt bis zu seinem Tod im September 1932 sein Wohn- und Arbeitsort. Als anerkannter Künstler zählt zu seinen Freunden etwa der Direktor des Kupferstich-Kabinetts in Dresden, Max Lehrs, dem die Mappe „Aus Japan“ gewidmet ist.

Das Edwin Scharff Museum wird im Herbst 2018 Grafikarbeiten und Holzschnitte des Künstlers zeigen, die während und nach seiner Japan-Reise entstanden sind, darunter Leihgaben aus einer Privatsammlung sowie die Mappe „Aus Japan“ – mit nur 50 Exemplaren eine Seltenheit und seit 2014 in Besitz der Städtischen Sammlungen Neu-Ulm.

Kristina Baumann, M.A.