Kunstwerk des Monats August

Der Teufel steckt in der Kleinskulpturensammlung: 
Thomas Theodor Heine, Teufel, um 1904

Thomas Theodor Heine, Teufel, um 1904, Bronze, H 40,6 cm, Städtische Sammlungen Neu-Ulm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Im Dezember 2010 erwarb das Edwin Scharff Museum den Teufel des Künstlers Thomas Theodor Heine – eine Bronze-Plastik, die zu ihrer Entstehungszeit sehr beliebt und bekannt gewesen ist. Auch heute hat die Figur nichts von ihrem Charme eingebüßt.

Den Teufel erschafft Heine um 1904. Der Künstler präsentiert den Höllenfürsten allerdings nicht als Schreckensfigur der Unterwelt. Etwas dicklich, mit herabhängenden Bauch wirkt der Teufel – zu erkennen an den Hörnern und dem Schwanz – so gar nicht furchteinflößend. Die plastische Form der Gestalt, für die stark gedrungene, nach unten verlagerte Körperformen bezeichnend sind, modelliert Heine als plumpe und irgendwie gemütlich wirkende Figur. Auch die großen, breiten Pranken und die Plattfüße erwecken eher einen beinahe tapsigen Eindruck. Fast erscheint es so, als würde der Teufel in menschenähnlicher, lässiger Dynamik daher schlendern. Das ist gewiss ein heutiger Blick auf diese Plastik. Solch eine karikierende Darstellung als plastisches Werk war für das zeitgenössische Publikum sicherlich ungewohnt.

Tatsächlich kann man diese überzogene, belustigende Teufels-Interpretation aus Thomas Theodor Heines gezeichneten Karikaturen herleiten. Die Episoden zeigen mitunter Szenen aus dem Alltag des Höllenwesens: Dort wohnt er als netter Nachbar gleich nebenan und hilft hier und dort, um das Leben besser zu ertragen. Seine kleinen Gaunereien werden ihm verziehen – schließlich sind sie eher eine Absage an spießbürgerliche Konventionen als kriminelle Delikte. Befreit von allen bisherigen Vorstellungen eines in der Unterwelt herrschenden Dämons, erscheint der Teufel allerdings nicht nur als knuffiger und liebenswerter Sympathieträger. Heines Feder ist gefürchtet, schonungslos schildert er politische Missstände und Willkür.

Erschienen sind Heines Karikaturen im Simplicissimus, einer satirischen Wochenzeitschrift zu Themen aus Politik, Gesellschaft und Kunst – und eine moralische Instanz ihrer Zeit. Heine gilt als einer seiner wichtigsten Zeichner – und ist zugleich auch Mitherausgeber – der 1896 in München gegründeten Satire-Zeitschrift. Es ist besonders Thomas Theodor Heine, der keine Tabus scheut: Seine Kommentare zu gesellschaftlichen und politischen Geschehnissen sind beißend, manchmal ätzend und nicht selten schockierend. Seine Bilderfindungen, wie der Teufel oder auch die berühmte rote Bulldogge, werden zu Aushängeschildern und Markenzeichen des Magazins, das in seinen Anfangszeiten immer wieder beschlagnahmt oder wegen „sittlicher Gefährdung“ verboten wird. Doch nicht nur dies ist Teil der Geschichte des Simplicissimus: Heine und viele seiner europäischen Kollegen inspirieren mit ihren (Satire-)Figuren Walt Disney und andere Zeichner, die später mit ihren animierten Filmwesen weltberühmt werden sollten.
Das zeichnerische Talent des 1867 in Leipzig geborenen Thomas Theodor Heine bildete sich bereits in seinen jungen Jahren aus – nicht zur Begeisterung aller. Schon als Schüler karikiert er allzu gerne seine Lehrer und erhält sogar einen Schulverweis. Nach seinem Studium an der Düsseldorfer Akademie zieht der Künstler 1889 nach München. Er ist sehr erfolgreich als Buchillustrator tätig und erlangt rasch Bekanntheit auf dem damals erst entstehenden Gebiet der Plakatkunst.
Ab 1922 ist der Künstler Ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Künste in Berlin und stellt sein Werk in zahlreichen Ausstellungen aus. Seine zeichnerische Vielseitigkeit beeindruckt zu Lebzeiten auch berühmte Zeitgenossen wie Max Liebermann und Lovis Corinth. Und auch mit seinem wenig umfangreichen plastischen Werk kann der als ausgewiesener Zeichner viel gerühmte Heine überzeugen.
Doch durch seine bissigen Karikaturen und Artikel zieht Heine später den Zorn der Nationalsozialisten auf sich und emigriert 1933 mit Hilfe des Künstlerehepaars Hans Purrmann und Mathilde Vollmoeller-Purrmann nach Prag. Dort lebt er einige Jahre, bevor er weiter nach Oslo und 1942 schließlich nach Schweden fliehen muss. In Stockholm lebt und arbeitet er mit großem Erfolg bis zu seinem Tod im Jahr 1948. Nach wie vor wird Heine heute insbesondere als herausragender Zeichner und weniger als Maler oder Bildhauer wahrgenommen; nicht nur, weil wenige Plastiken vorhanden und viele seiner Gemälde im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe zerstört worden sind. Thomas Theodor Heine hat den Ruhm des Simplicissimus als unbestechlichen Kommentator seiner Zeit wesentlich mitbegründet und dieser Ruhm ist bis heute ungebrochen.

Kristina Baumann, M.A.
Wissenschaftliche Volontärin