Ernst Geitlinger, dessen Sammlung das Edwin Scharff Museum betreut, wird 1895 in Frankfurt geboren. 1913 wandert seine Familie nach New York aus. Er schreibt sich kurz darauf an der National Academy of Design ein. Um das Studium zu finanzieren, verdient er sein Geld als Träger von Eisenbahnschienen, Nachttelefonist und hinter den Kulissen eines Theaters.
Die Akademie, an der Geitlinger studiert, hat strenge Ausstellungsregeln; avantgardistische Kunst wird hier noch nicht gern gesehen. Umso größer ist der Einfluss, den eine Ausstellung auf den jungen Künstler hat: die „Armory Show“ stellt Gemälde und Skulpturen der gerade entstehenden Moderne aus, was zu Diskussionen über Expressionismus, Fauvismus, Kubismus und abstrakter Malerei führt. An der Akademie bleibt Geitlinger nur zwei Jahre, studiert aber bei Winold Reiss weiter, einem ehemaligen Schüler von Franz von Stuck. Außerdem arbeitet er als Zeichenlehrer und Theatermaler.
Rückkehr nach Europa
1922 kehrt er nach Europa zurück und schreibt sich mit 27 Jahren in München an der Akademie ein. Auch hier sucht er sich einen progressiven Künstler als Lehrmeister, den Maler Karl Caspar, einen Freund Edwin Scharffs. Bis 1929 pendelt Geitlinger zwischen München und New York, um sich schließlich in München niederzulassen. Die darauffolgenden Jahre überlegt der zeitlebens aufgeschlossene und experimentierfreudige Künstler immer wieder, zurück in die USA zu gehen. Die politische Entwicklung und Klassifizierung als „entarteter“ Künstler machen ihm – wie vielen seiner Kolleginnen und Kollegen – zu schaffen. Seine Emigrationsversuche scheitern jedoch.
Nach den Kriegsjahren ist er weiterhin in München aktiv, ist Mitbegründer der Künstlervereinigung „Neue Gruppe“ und wird 1951 als Professor an die Akademie berufen. Er wird damit seinerseits ein fortschrittlicher Lehrer, der großen Einfluss auf seine Studentinnen und Studenten hat. An der sonst eher konservativ gesinnten Münchner Akademie und danach in seiner privaten Malschule motiviert er die Studierenden zu freizügigem Denken und dazu, den jeweils eigenen Standpunkt zu finden. Für die Schülerinnen und Schüler wird er damit zur Identifikationsfigur für den experimentell-abstrakten Aufbruch nach dem Krieg.