Still steht sie da, und, so scheint es, der Realität entrückt. Ihre Arme sind nach oben gestreckt, suchen sich einen Weg Richtung Himmel. Ihr Gesicht wirkt friedlich. Allerdings schwingt auch Traurigkeit mit, als ob sie von etwas Abschied nimmt.
Dass es sich bei der einzelnen Figur um Daphne und damit um eine mythologische Figur handelt, wird erst bei der näheren Betrachtung und durch den Titel deutlich. Denn die Bildhauerin Renée Sintenis (1888-1965) stellt sie anders dar, als es in der Kunstgeschichte bisher üblich war.
Der Mythos um die griechische Nymphe erzählt, wie Apoll, der Gott der Künste, Daphne zu erobern trachtet. Sie hingegen versucht, seinen Nachstellungen zu entkommen und flieht. Als sie an dem Punkt der Erschöpfung angekommen ist, erkennt sie einzig in der Veränderung ihres Äußeren den Ausweg. So verwandelt ihr Vater sie in einen Lorbeerbaum.
Während Bildhauer zuvor, wie zum Beispiel der Barock-Künstler Gian Lorenzo Bernini, dieses Thema mit beiden Figuren darstellte und sich auf den Moment der Verfolgung fokussierte, ist Renée Sintenis die Erste, die auf die Darstellung von Apoll verzichtet. Ihre Daphne von 1930 ist auch nicht mehr auf der Flucht. Sondern der Moment, der hier im Vordergrund steht, ist der der Verwandlung. Auf ihrem Kopf wachsen Lorbeerblätter, ebenso in den Achselhöhlen. An ihren Beinen scheint sich bereits Rinde zu bilden. Während bei Bernini eine ängstliche Daphne gezeigt wird, scheint diese hier ihre Verwandlung akzeptiert und – trotz des Abschieds von der früheren Gestalt – mit ihrem neuen Dasein Frieden geschlossen zu haben.
Beim Betrachten entsteht der Eindruck, dass Sintenis ihre Figur zwar zart, aber dennoch mit einem starken Willen gestalten wollte.
Vergleicht man den Körper der Plastik mit dem der Künstlerin, so lassen sich in der Physiognomie Parallelen erkennen. Dementsprechend zahlreich sind die Interpretationen zu dieser Arbeit.
Auf Grund der Bildrechte mussten wir leider alle Fotos aus den Beiträgen zu Renée Sintenis nach Ausstellungsende entfernen.