Kunstwerk des Monats Dezember

Edwin Scharff, Weihnachtliche Szene, 1939

Edwin Scharff (21. März 1887 in Neu-Ulm – 18. Mai 1955 in Hamburg)
Weihnachtliche Szene
1939
Bleistift, teilweise gewischt, auf Bütten
302 x 394 mm
Nachlassgemeinschaft Scharff, Edwin Scharff Museum Neu-Ulm
© VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Zur Weihnachtszeit muss es natürlich ein weihnachtliches Motiv sein…

 „[…] Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“ (Lukas Evangelium, 2, 10-12)

In der Sammlung im Edwin Scharff Museum befinden sich zahlreiche Zeichnungen, die der Namensgeber des Museums, der in Neu-Ulm geborene Künstler Edwin Scharff, zum Thema der Geburt Christi angefertigt hat. Sie stammen aus der Nachlassgemeinschaft Edwin Scharffs und zeigen, dass er sich besonders ab Ende der 1930er Jahre diesem Motiv immer wieder als Zeichner gewidmet hat. Häufig ähneln sich die Motive; einige sind skizzenhaft und etwa mit Feder ausgeführt, für andere nutzt der Künstler den Bleistift und zeichnet Konturen deutlich nach. 

Die hier vorgestellte Bleistift-Arbeit stammt aus dem Jahr 1939. Im Vergleich zu anderen Zeichnungen zum selben Thema ist diese Szene ungewöhnlich detailliert gezeichnet. So sind nicht nur die Gesichter herausgearbeitet, auch die Falten der Gewänder und von Marias Decke sind akzentuiert. In seiner Darstellung greift Edwin Scharff auf das klassische Personeninventar der Geburt Christi zurück: Seit frühchristlicher Zeit zählen zu diesem neben dem Kind dessen Eltern Maria und Josef, sowie häufig auch Hirten mit Ochse und Esel. Die Tiere lassen darauf schließen, dass auch hier die Szene der Geschichte entsprechend in einem Stall eingebettet ist. Allerdings scheint doch die Ausstattung für einen Stall überraschend wohnlich: So ist Maria mit dem Kind in ihren Armen auf einer Art Sofa mit Kissen und Decken gebettet. Links davon sitzt an seinem Heiligenschein erkennbar Josef entspannt auf einem Stuhl und blickt liebevoll auf seine Frau. Vor dem Bett, im Vordergrund des Bildes, steht die für das Kind zurecht gemachte Futterkrippe. Im Raum finden sich weitere Gegenstände, die auf eine häusliche Umgebung schließen lassen: ein Krug und ein weiterer Stuhl in der rechten unteren Bildhälfte, und sogar eine Art Teppich vor dem Sofa, auf dem höchst ordentlich platziert ein paar Schuhe steht. Im Hintergrund beobachten Esel, Ochse und ein Mann – vermutlich ein Hirte oder womöglich Edwin Scharff selbst? – die Szene. Betont wird die behagliche Stimmung noch von der vollbehängten Wäscheleine. Besonders der Hund, der unter dem Sofa hervor lugt, unterstreicht die persönliche Deutung der weihnachtlichen Szene. Edwin Scharff selbst besaß einen Spitz, wie er sich hier unter dem Bettgestell zusammenrollt. 

Jeweils mit dem entsprechenden Datum versehen, fertigt der Künstler über Jahre hinweg Zeichnungen, die auch als Grußkarte Verwendung gefunden haben könnten, ähnlich seinen illustrierten Neujahrsgrüßen. Es ist diese persönliche Anteilnahme, die Edwin Scharffs „Weihnachtliche Szene“ mit seiner friedlichen Atmosphäre von anderen religiösen Darstellungen der Zeit unterscheidet. Denn in der bildenden Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts tritt die Ikonographie der Geburt Christi bei vielen Künstlerinnen und Künstlern hinter anderen Themen zurück. Häufiger ist es die Passion Christi – etwa bei Scharffs Zeitgenossen Lovis Corinth und Emil Nolde – die in den Mittelpunkt gesetzt wird. 

Kristina Baumann, M.A.
Wissenschaftliche Volontärin des Edwin Scharff Museums